Unternehmen brauchen Streitkultur by Heinz Becker

Unternehmen brauchen Streitkultur by Heinz Becker

Autor:Heinz Becker [Becker Heinz]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446455665
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2017-11-23T16:00:00+00:00


Es kann manchmal sehr lange dauern, bis der Magische Moment erreicht wird. Widerstehen Sie der Versuchung, zu früh einzugreifen.

Doch mit dieser Vermutung lag ich völlig falsch. Der Vorgesetzte dieser Abteilung kannte seine Truppe besser als ich. Er ergriff das Wort, und der Klang seiner Stimme verriet seine Betroffenheit: „Ich muss etwas sagen. Ich bin von diesem Gespräch erschüttert. Ich wusste von Spannungen unter uns. Aber dass es so schlimm ist, hatte ich nicht erwartet. Wenn wir so weitermachen, dann richten wir nur Unheil an und wir zerstören alles, was wir einmal waren. So kommen wir nicht weiter!“ Im Raum wurde es augenblicklich still. Die Situation war reif für den Zauberspruch des Abteilungsleiters. Alle Beteiligten erschraken vor sich selbst.

In den Worten und Gesten des Vorgesetzten war nicht der geringste Vorwurf an seine Mitarbeiter enthalten. Mit keinem Wort hatte er ihr Gezänk missbilligt oder sich über die destruktive Diskussion empört. Er hatte nur sein blankes Erschrecken angesichts der vorgefundenen ernsten Lage ausgedrückt. Deshalb widersprach ihm niemand. „So kommen wir nicht weiter!“, hatte er gesagt. Wie aber dann? „Lasst uns vernünftig miteinander reden.“ Das musste nicht mehr gesagt werden. Nüchternheit und Ernsthaftigkeit kehrten übergangslos ein. Die Mitglieder der Gruppe begannen, einander zuzuhören, und arbeiteten ihre „Drückepunkte“ mit viel gegenseitigem Verständnis durch. So konnten sie ihre Konflikte bewältigen und beilegen. Der Abteilungsleiter hatte das richtige Gespür für Kairos. Er hatte nicht versucht, durch zu frühes Eingreifen die Hitzigkeit der Debatte zu besänftigen oder gar ihren Ausbruch zu verhindern.

„So kommen wir nicht weiter!“ Diese Variante des Magischen Moments kündigt sich dadurch an, dass die persönlichen Angriffe der Teilnehmer untereinander die sachlichen Fragen der Debatte dominieren. Als Führungskraft sind Sie also früh gewarnt und haben genug Zeit, Ihren Zauberspruch zu kreieren und auf den richtigen Augenblick zu warten. Dieser Moment tritt aber nicht ein, wenn es für Sie genug ist. Warten Sie so lange, bis es für das Team genug ist.

Ein Gruppenprozess in dieser Phase bedeutet eine schwierige Gratwanderung: Der Prozess muss bis zum Gipfel des Überdrusses reifen, ohne ihn dann allzu weit zu überschreiten. Wählen Sie einen zu frühen Moment, geht Ihre Intervention in der Dynamik der laufenden Debatte unter. Wählen Sie den Zeitpunkt des Eingreifens zu spät, entsteht ein Übermaß an Verdruss, und der Diskussionsgegenstand wird zerredet. Dann kann es passieren, dass einige das Feld verärgert oder enttäuscht verlassen – mindestens innerlich. Lassen Sie es nicht so weit kommen: „So kommen wir doch nicht weiter!“



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